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30. Januar 2013 Argentinien, Rio Gallegos - Tee zum Frühstück und Guanakos am Abend Das Guanako ist eine wildlebende Art innerhalb der Familie der Kamele. Es lebt vor allem im westlichen und südlichen Südamerika und ist die Stammform des domestizierten Lamas. Guanakos erreichen eine Schulterhöhe von 120 Zentimetern und ein Gewicht von 100 bis 120 Kilogramm. Das Fell ist wollig und dicht; seine Farbe ist oberseits hellbraun und unterseits weiß, das Gesicht ist oft schwarz gefärbt. Wir lassen schweren Herzens Ushuaia hinter uns liegen. Das Ende der Welt hat uns doch sehr fasziniert. Nicht nur wegen der tollen Begegnungen mit anderen Reisenden fällt es uns schwer, in Richtung Norden aufzubrechen. Tief beeindruckt hat uns die Australierin Sherri, die seit 2,5 Jahren mit ihrem Motorrad um die Welt fährt. Auch die Gastfamilie des Campingplatzes Rio Pipo hat sich rührend um uns gekümmert. Als ich zum Abschied die Putzfrau in den Arm nehme und kräftig drücke, sehe ich in ihren Augen eine kleine Träne aufblitzen. Auch ich muss kräftig schlucken, doch wir haben uns entschieden, heute weiterzufahren. Die Windvorhersagen sind äusserst vielversprechend, besser gesagt die Vorhersagen für die kommende Windstille. Ich weiss, ich mag mich an dieser Stelle wiederholen. Doch für uns sind die Windstärken ein wichtiges Entscheidungskriterium des Weiterreisens geworden. Nachdem wir in Patagonien mehrmals fast von der Strasse geweht wurden, ist die Meteoseite bei uns unter den Internetfavoriten an oberster Stelle abgespeichert. Und meine motorradfahrenden Mädels, die das jetzt lesen, gell, Ihr versteht mich. Birgit, Iris, Sandra und Frauke, so ein bisschen mädchenhaft darf Frau sich doch anstellen, oder? In der Männerwelt des Motorradfahrens stosse ich sowieso regelmässig auf Unverständnis, wenn ich eindringlich nach hygienischen Verhältnissen in empfohlenen Unterkünften frage oder nicht locker lasse, wie tief denn nun der Sand oder Schotter auf dem Weg von X nach Y ist. Kopfschütteln ist keine Seltenheit. Wenn es schwierig wird, geben die Männer halt einfach Gas. Frau zieht dann eher die Bremse. Aber so ist das eben. Gross sind sie nicht die Unterschiede, aber fein. Das war glaube ich eine Werbung für After Eight Werbung vor 20 Jahren, als die britische Adelsdame ihren Butler auffordert: „Andrew, gib Gas“. Apropos Britisch: Neulich beim Frühstück im Hotel in Rio Gallegos. Wir sind in Argentinien und wie bereits erwähnt, kann man das Frühstück zwischen dürftig und notdürftig einstufen. Die Servierdame erkundigt sich nach unseren Getränkewünschen und wie immer bestellt Ingo schwarzen Kaffee. Um ganz sicher zu gehen, fügt er immer noch hinzu: „Ohne Milch und ohne Zucker.“ Er bekam neulich versehentlich einen Kaffee mit ein paar wenigen Tropfen Milch drin, den hat er prompt stehen lassen. Ich entscheide mich heute für Tee und bestelle einen solchen mit einem kleinen bisschen Milch „Con pocito Leche“. Als 3 Minuten später unsere Getränke serviert werden, falle ich fast rückwärts vom Stuhl. Mein zarter englischer Ceylon Tee besteht aus einer Tasse heisser Milch, in der ein Teebeutel baumelt. Oh Graus, wenn das unsere Freunde aus London sehen könnten. Mein Gesicht glüht auf wie eine Kerze als ich mich protestierend Ingo zuwende: „Schlimmer kann man einen englischen Tee gar nicht verunstalten. Meinst Du, ich kann einen neuen bestellen?“ „Vielleicht“ sagt er in einem Tonfall, der ausdrückt, dass meine Bemerkung zwar gut gemeint ist, er es aber für unwahrscheinlich hält. Wir streben heute einen zeitigen Start an und folglich bremst mein Verstand die Leidenschaft. Ich widme mich meinem verschandelten Trunk und muss zugeben, so schlimm schmeckt der Latte Ceylon gar nicht. Wir kommen zügig voran auf der Ruta 3 entlang der Ostseite des südamerikanischen Kontinents. Nach 200 Kilometern erreichen wir den Nationalpark Monte Leon. Seinen Namen hat er einem Küstenabschnitt zu verdanken, der aufgrund jahrhundertelanger Erosionen die Silhouette eines ruhenden Löwen besitzt. Die 25 Kilometer lange Zufahrt zum Park führt durch patagonische Steppe. Wir passieren Guanakos, eine Lamaart, die in kleinen Gruppen friedlich die Abendsonne geniesst. Irgendwo in der Nähe singt ein Vogel. Ein paar klare Töne, denen eine Antwort folgt. Nach einer wackeligen Überquerung einer Holzbrücke macht die Erdstrasse einen scharfen Linkknick und gibt den Blick auf den Ozean frei. Der Boden senkt sich in breiten, silbernen Kieselsteinen zum Atlantik hin und eröffnet uns die durchdringenden Gerüche der Pflanzen, die sich mit dem trocken Steppensand und dem Salzwasser vermischen. Genau an dieser Stelle dürfen wir unser Zelt aufstellen. Es gibt ein paar einfache Toilettenhäuschen und Duschen, bei denen allerdings die Wasserrohre abgebaut sind. Ich würde liebend gerne für ein paar Tage hier bleiben, doch ohne Dusche? Die Sonne senkt sich bereits langsam und übergiesst die Wasseroberfläche mit Gold und Orange. „Du denkst so laut nach, dass ich Dich von hier aus hören kann.“ Ingos Grinsen kann ich mehr erahnen, als dass ich es sehe, während er einen Schritt vortritt und sich neben mich stellt. Tatsächlich konstruiere ich mir gedanklich bereits eine Duschvorrichtung, die uns erlaubt, länger im Park zu verweilen. Am Morgen des nächsten Tages fülle ich unseren 10 Liter Wassersack bis oben auf und hänge ihn an meinen Motorradlenker, um eine direkte Sonneneinstrahlung zu gewährleisten. Das Wasser, das mir einige Stunden später zur Verfügung steht, ist zwar nicht heiss, aber zumindest wohltemperiert und ich geniesse die Körperhygiene in der Wildnis. Es gibt im Park einige attraktive Punkte zu erwandern. Über den Rücken des Monte Leon können wir auf seinen Kopf aufsteigen und von dort aus Seelöwen und Kormorane zu beobachten. Auch eine Pinguinkolonie gibt es zu bestaunen und somit verbringen wir den Tag im Park mit etlichen Kilometern Fussmarsch durch die Einsamkeit der Steppe Patagoniens.
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Wetter: Wind und Sonne bei 21 Grad
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